Am
15. 4. 1956 bringen die ersten freien Wahlen der tunesischen Geschichte
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der
Neo-Destour-Partei einen überwältigenden Sieg und machen Habib
Bourguiba zum Ministerpräsidenten. Am 25. 7. 1957 erfolgt die offizielle
Absetzung des letzten Beys, dadurch wird Tunesien zur Republik und
Bourguiba zum Staatspräsidenten. Bourguibas Politik und seine Reformen
orientieren sich in den folgenden Jahren an westlichen Vorbildern: |
Die
Scharia wird abgesetzt und durch weltliche Gerichtsbarkeit ersetzt,
die Mehr- und Zwangsehe wird verboten, Scheidungen zugelassen, Frauen
erhalten die rechtliche leichstellung, weltliche Schulen werden gegründet
und die allgemeine Schulpflicht wird eingeführt. Es gibt Alphabetisierungskampagnen
und selbst in den entlegensten Oasen werden Bildungsstätten für Analphabeten
gegründet Auch der Wiederaufbau der Wirtschaft gehört zu den wichtigen
Aufgaben dieser Zeit, da die Abwanderung vieler französischer Facharbeiter
eine Lücke hinterläßt. |
1962
entsteht ein erster 10-Jahres-Plan, der Prioritäten vor allem im Wohnungsbau,
gesundheits- und Bildungswesen vorsieht. Aber bald regt sich jedoch
auch Widerstand im Land gegen Bourguibas radikale Reformpolitik: traditionelle
Moslems wehren sich gegen die "Verweltlichung", die Gewerkschaft UGTT
verlangt weitergehende antikapitalistische Wirtschaftsreformen und
wie auch in anderen arabischen Staaten gibt es Stimmen gegen die pro-westliche
Außenpolitik. Auch Außenpolitisch kommt es zu Konflikten und zwar
mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. |
1958
bombardieren die Franzosen ein Grenzdorf zu Algerien und sperren jegliche
Wirtschaftshilfe wegen angeblicher Unterstützung algerischer Rebellen. |
1961
unternimmt Tunesien einen Angriff auf die französische Garnison in
Bizerte, um mit Gewalt die Freigabe der Stadt zu erreichen , die bis
dahin den Franzosen noch als Marinebasis diente und als solche dem
jungen arabischen Nationalismus natürlich ein Dorn im Auge war. |
Der
Angriff, der 700 Tunesiern das Leben kostete, scheiterte und erst
politischer Druck und strategische Überlegungen veranlaßte
die Franzosen zwei Jahre später, am 15.10.1963, die Basis zu räumen.
Doch Bourguiba ist nach wie vor äußerst populär. Der geschickt taktierende,
überzeugende Redner kann trotz aller Probleme und trotz des sich aufblähenden
Staatsapparates seine Machtstellung weiter festigen. |
Die
Planungen und Reformen, die zu Beginn noch sozialistische Züge tragen,
führen jedoch nicht zum gewünschten Erfolg und Bourguiba drängt nach
und nach alle Linken aus ihren Ämtern und spätestens seit 1969 zeigt
Tunesien eine rein kapitalistisch orientierte |
Wirtschaftspolitik. |
1972
wird ein zweiter 10-Jahresplan aufgestellt mit Schwerpunkten auf einer
dezentralisierten Industrieentwicklung, Bewässerungsprojekten und
auf den inzwischen einsetzenden Tourismus. |
All
dies mit weitreichenden Freiheiten und somit Anreizen für ausländische
Investoren. Anfangs werden auch Zuwachsraten erzielt und Bourguiba
läßt sich 1974 zum Staatspräsidenten auf Lebenszeit wählen, aber eine
Mitte der 70er Jahre einsetzende Rezession sowie die anhaltend hohe
Arbeitslosenrate wecken Unruhen und Streiks unter Studenten, Arbeitern
und Bauern und führen zu einer schweren inneren Krise des jungen Nationalstaates. |
Am
27. 1. 1978 wird von der UGTT der erste Generalstreik Tunesiens ausgerufen,
der jedoch von der Polizei in Tunis blutig niedergeschlagen wird.
Zwei Jahre später kommt es zu einer neuen Streikwelle und Studentenunruhen.
Tunesische Revolutionäre überfallen eine Garnison in Gafsa (angeblich
mit Libyscher Unterstützung).
Bourguiba
reagiert wieder taktisch, einerseits mit harten Urteilen gegen die
Oppositionellen, andererseits mit einer vorsichtigen Liberalisierung,
die in die ersten "freien" Wahlen am 1.11.1981 mündet. |
Oppositionsparteien
waren nicht zugelassen, Repressionen behinderten die Gegenkandidaten
und somit errang die "Nationale Front" Bourguibas einen überwältigenden
Sieg mit 94,6 % der Stimmen und sämtlicher Parlamentssitze. |
1984
verursacht die Verdoppelung der bis dahin stark subventionierten Preise
für Brot und Hirse landesweite Unruhen. Polizei- und Militäreinsätze
fordern über 100 Todesopfer, aber letztendlich wird der Präsident
gezwungen, die Preiserhöhung zurückzunehmen.
Im August 1985 kommt es zu erneuten Spannungen mit Libyen. |
Durch
den Ölpreisverfall gerät Libyen in wirtschaftliche Schwierigkeiten
und weist unter anderem 35 000 tunesische Gastarbeiter aus.
Nach Tunesien zurück gekehrt, erhöhen diese die Arbeitslosenzahl im
eigenen Land. Tunesien bricht darauf hin die diplomatischen Beziehungen
ab und schließt seine Grenzen. |
Unvorhergesehenes
geschieht am 1.10.1985. Sechs israelische Kampfflugzeuge greifen das
PLO Hauptquartier bei Hammam Lif an. |
Der
Angriff, der dem Palästinenserführer Arafat gilt, fordert über 70
Tote, die meisten Zivilisten, und stößt international fast einhellig
auf scharfe Kritik. |
1987 gibt es mehrere Bombenanschläge auf Touristenhotels.
Diese gehen wahrscheinlich auf das Konto der islamischen Fundamentalisten,
die durch die allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung immer
mehr an Auftrieb gewinnen. |
Die
Regierung reagiert mit harten Gegenmaßnahmen, Verhaftungen und auch
Todesurteile sind die Folge. |
In
all diesen Unruhen und Wirren kommt am 7. November 1987 die überraschende
Nachricht von der Absetzung des nunmehr seit über 30 Jahren regierenden
Bourguiba durch Zine el Abidine Ben Ali, der selbst erst kurz zuvor
von diesem zum Ministerpräsident ernannt wurde. |
Jeder
Tunesier wußte, dass Bouguiba seit Jahren ein kranker Mann war und
durch Krankheit und Alter längst unfähig zur Amtsausführung. |
Der
Machtwechsel vollzieht sich in aller Stille, vom Volk akzeptiert und
geht wegen des unblutigen Verlaufs als Jasmin-Revolte in die tunesische
Geschichte ein. |
Der
7. November ist der Nationalfeiertag und wird jedes Jahr gebührend
gefeiert. |
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